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Ist gute Qualität eine implizite Eigenschaft bestimmter Medien?

Nun musste ich mir zum ich weiß nicht wievielten Male anhören, dass bloggen und twittern ja soooo viel Müll und Schrott hervorbringt. So jedenfalls aus Herr Helmut Lehnert auf der re:publica’09.

Welche Qualitäts-Medien rezipiert Herr L. aus B. eigentlich? Ich jedenfalls bleibe beim zappen an maximal 5 Sendern mit „guter“ Qualität hängen. Und wie sieht es mit Zeitschriften aus? Auch da ist es doch nicht anders! Oder ist das was z.B. die Regenbogenpresse hervorbringt qualitativ hochwertig im l.-schen Sinne?

Die Radiosender, die einem alle zwei Minuten den Sendernamen ins Ohr brüllen, lasse ich mal ganz außen vor…

Wobei wir beim eigentlichen Thema wären: WER bestimmt was Qualität ist? Herr L. aus B. oder ich oder eine Kommission?

Und die überraschende Antwort: JA, Sie, Herr L., bestimmten, was Qualität ist! Indem Sie bestimmte Sender auswählen, bestimmte Zeitungen kaufen und – TADAAAA – bestimmte blogs lesen oder bestimmte twitterer abonnieren!

Ich muss mir nicht DSDS ansehen (habe nie auch nur eine Folge gesehen!). Ich muss mir nicht „Das Goldene Blatt“ kaufen oder beim Zahnarzt lesen! Ich muss keine RSS-Feeds von für mich uninteressanten blogs abonnieren. Ich muss keinem twitterer folgen, dessen Tweets ist nicht lesen möchte.

Und wer DSDS sehen oder „Das Golden Blatt“ lesen möchte darf das sehr, sehr gerne tun! Wer hat das Recht den Wert eines Menschen nach seinem Medienkonsum zu bemessen?

Also: alles ganz normal und einfach, oder?

Warum also wettern einige Journalisten wie z.B. Herr L. aus B. mit solch einer Inbrunst gegen neue Medien (und warum werden Sie auf eine solche Konferenz eingeladen? Als Gegenpol? Das ist gelungen!). Ich kann es nur vermuten. Bisher ähnelte die Vergabe einer Erlaubnis zum Publizieren eher einem Feudal-System. Man wird durch den Chef-Redakteur ernannt, der entscheidet, ob man befähigt ist oder nicht. Genau solche Leute werden natürlich im Internet nicht mehr benötigt – der Leser entscheidet, was er lesen möchte und was nicht. Und nicht ein gewisser Herr L. aus B. und seine Kollegen.

Es schmerzt mich besonders, dass Herr L. aus B. auf einmal so geistig stur geworden ist. Ich habe seine Sendungen auf SFBeat geliebt (besonders die Meditationssendung) und durfte ihn in meinem Kommunikationsstudium in einem Radio-Seminar erleben. Das war wunderbar und Herr L. aus B. erschien mir als offener, interessierter Geist mit sehr viel Fachkompetenz. Was ich heute erleben musste macht mich sehr traurig. Da lamentiert jemand, der im Geiste schon sehr alt geworden ist, sehr schade. Ich bin unwesendlich jünger und kenne etliche ältere Menschen, die sich genau diese geistige Offenheit auch in höherem Alter bewahrt haben.

Herr L. aus B., machen Sie mal eine Pause von Ihrem offenbar äußerst frustrierenden Ausflug in die Fernsehwelt und finden Sie zu den Qualitäten zurück, für die ich Sie über Jahrzehnte geschätzt habe und schätze!

Erste Eindrücke von der re:publica’09

Kurz nach meiner Ankunft landete ich erst mal im Stau am Eingangsbereich. Die Akkreditierungsprozedur war noch recht paperbased. Meinen Ausweis mit Barcode brauchte ich jedenfalls nicht. Dafür war die Begrüßung um so herzlicher und ich bekam mein „Freundschaftsbändchen“ sogar noch von einem re:organisator um den Arm gewickelt.

Die Idee mit dem Bändchen als Eintrittskarte finde ich eigentlich ganz nett, nur die unterschiedliche Farbgebung missfällt mir etwas. Die Journalisten und Business-Gäste haben offenbar andere Farben, das blog-Volk weiß… Ach ja, und ich muss das Bändchen die ganzen 3 Tage am Arm behalten, mal gucken, ob es duschfest ist 🙂

Der Start verzögerte sich ca. 30 min, was ich persönlich nicht so schlimm finde. Mehr hat mich die Meldung „WLAN kommt bald“ genervt, nicht weil es unprofessionell ist, sondern weil es als Textverarbeitungs-Dokument auf weißem Grund an die Wand geworfen wurde, was die Folien der Vortragenden überstrahlte.

Die Keynote von Johnny Haeusler war freundlich und kurz. Das Motto „shift happens“ wurde noch mal kurz durchleuchtet. Sein Bänker frage ihn vor zehn Jahren, als er ein Internet-Business finanziert bekommen wollte: „Gibt es das Internet in zehn Jahren noch?“ Er hat das damals als sehr absurd empfunden. Und wie absurd hätte er die Gegenfrage empfunden: „Gibt es Ihre Bank in zehn Jahren noch?“ – ein schöner Lacher 🙂

John Kelly beglückte uns mit „Mapping the global blogosphere“. Er zeigte mit – wie ich finde – aussagekräftigen 3D Grafiken die Vernetzung und Struktur der verschiedenen blogosphären aus U.S.A. England, Iran, Afghanistan, Russland und Deutschland. Ich nehme mit, dass die unterschiedlichen Kulturen sich genau so auch in der Unterschiedlichkeit sozialer Netzwerkstrukturen niederschlagen.

Zwei Dinge schienen mir bei „Blogs in Deutschland“ mit Markus Beckedahl, Robert Basic, Stefan Niggemeier, Sascha Pallenberg, Thomas Knüwer besonders interessant:
1. Es gibt keine guten oder schlechten blogs – es gibt nur blogs. Robert Basic sprach mit bei seinen sparsamen Statements aus der Seele.
2. Das Internetrecht in seiner heutigen Form in Deutschland ist eine einzige Katastrophe! Soll man sich in einem Verband organisieren, um eine Verbesserung der Rechtslage zu erreichen? Lobbyarbeit ist sicher auf diesem Feld leider unvermeidbar. Oder sollen sich blogger bereits etablierten Verbänden (Jounalisten-Verbänden, Gewerkschaften) anschließen.
Ich habe dazu einen Twitt-Poll angelegt http://twtpoll.com/p8lqyg

Das war’s erstmal – später mehr.

Andreas Naurath